Die Identität eines Menschen wird als die Summe seiner
Eigenschaften, Erfahrungen, Erinnerungen und Ideen angesehen. Jeder Mensch hat
eine einzigartige Identität, die er durch seine Entwicklung gewonnen hat, und
die sich in seiner Zukunft fortsetzt. Wesentlich für seine Identität sind die Erbanlagen,
die zutiefst in Wechselwirkung mit
seinen Umwelteinflüssen stehen, aber auch der Zufall spielt eine wichtige
Rolle. Dazu kommt seine Reflexionsfähigkeit, die in Abhängigkeit von
kulturellen, sozialen und persönlichen Gegebenheiten eine aktive Auseinandersetzung
mit seiner Identität ermöglicht. Erweitert wird dieses Wechselspiel durch
mentale Abläufe, die von Illusionen, Kreativität bis zu tiefgehenden
Erkenntnissen über seine Welt reichen. Somit ist seine Identität nichts
Statisches, sondern unterliegt einer Dynamik mit sehr vielen Faktoren.
Ein wesentliches Merkmal einer Person ist sein verkörpertes
Subjekt, seine notwendige Einheit aus subjektiver Selbsterfahrung und
systemischer Biologie. Bewusstes Erleben ist ein dynamischer Prozess der
Interaktion von Gehirn, Körper und Umwelt.
Besondere Fallstudien von adoptierten Kindern, die aus
fremden Kulturen stammen, von getrennt
aufgewachsenen eineiigen Zwillingen, von wild aufgewachsenen oder sozial
isolierten Kindern, oder von Kindern mit starken körperlichen
Beeinträchtigungen, wie z.B. frühkindliche Taubblindheit, die aber
bestmögliche Unterstützung erhalten,
zeigen, wie unterschiedlich sich die Persönlichkeit eines Menschen bei
unterschiedlichen Rahmenbedingungen entwickeln kann.
Die gleichen Fallbeispiele können aber auch zu der Idee
inspirieren, dass sich ein Mensch mit jemanden anderen verbunden fühlen kann,
wenn er nur mit den Lebensumständen des Anderen vollständig vertraut wäre.
Getrennt aufgewachsenen eineiigen Zwillingen fühlen sich ohne weiteres Zutun
miteinander verbunden: Der Eine könnte genauso gut der Andere sein.
Gedankenexperimente können diese Idee der Verbundenheit
unterstützen: Angenommen, jemand wäre
einige Jahrhunderte früher geboren, welch einen enorm anderen Weg hätte dann die
Entwicklung seiner Persönlichkeit genommen? Oder jemand hätte durch einen
Unfall das Gedächtnis verloren, und wüsste zwar, dass er vor dem Unfall gelebt
haben muss, hätte aber kein Wissen mehr davon. Wäre dieser Unfall im Ausland passiert, und gäbe es für ihn keine
Identitätshinweise, so könnte er keinen Bezug zum Vorleben herstellen. Weiters
stützt diese Idee die Tatsache, dass nicht bestimmte Materie unseren Körper und
damit auch unser Bewusstsein ausmacht, sondern nur bestimmt strukturierte
Materie, da viele unserer Körperzellen ständig ausgetauscht werden. Derart
strukturierte Materie könnte sich irgendwo oder irgendwann im Universum
identisch wiederfinden. In einer bestimmten Weise, also nicht in unserem
Verständnis als der gleiche lebende Organismus, aber mental wäre dann dieses "Du" auch "Ich" selbst. Und weil sich
die persönliche Identität ständig ändert, ist auch für ein sich Wiederfinden in
einer fremden Identität kein identisches Doppel erforderlich.
Unser Bewusstseins, also unser Erleben, ist ein ständiges
Fließen im Hier und Jetzt, findet also immer nur in der Gegenwart statt, und
kann auch keinem bestimmten Ort zugeordnet werden. Es gelten somit keine
Grenzen von Raum und Zeit. Je nachdem, ob unser "Ich" aus beständigen Inhalten
besteht (wahre bzw. vernünftige Inhalte, oder aus Vergänglichen (Illusionen und
Unvernünftiges), wird hier zwischen selbstbestimmten oder fremdbestimmten "Ich"
unterschieden. Dabei wird die Idee vertreten, dass sich nur selbstbestimmte
Identitäten, die sich ähnlich sind, unabhängig von Raum und Zeit wiederfinden
können. Dieses sich Wiederfinden bedarf zusätzlich der Liebe, um die
menschliche Begrenztheit zu überwinden.
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