Elyse und Paula trafen nach 35 Jahren im Jahre 2003 in New
York erstmalig zusammen. Die eineiigen Zwillinge wurden mit 5 Monaten getrennt,
und zur Adoption freigegeben. Weder den Adoptiveltern noch den Zwillingen war
bekannt, dass es eine Zwillingsschwester gab. Erst nachdem ein Zwilling nach
Informationen über ihre leibliche Mutter suchte, erhielt das Zwillingspaar von
der Adoptivagentur die Information über die Existenz der eigenen
Zwillingsschwester. Später erfuhren sie, dass die vermittelnde Agentur in den
USA gezielt eineiige Zwillinge gesucht hatte, die nach der Geburt zur Adoption
freigegeben wurden, um für Studienzwecke die Auswirkung unterschiedlicher
Umwelteinflüsse zu erforschen.
Das Zusammentreffen löste bei beiden Zwillingsschwestern,
die zu 100% identisches Erbgut besitzen, eine Flut von Emotionen aus, und für
beide begann ein völlig neuer Lebensabschnitt mit vielen Höhen und Tiefen. Als
Elyse sechs war starb ihre Adoptivmutter, und da sie zu ihrer neuen Stiefmutter
keine besonders nahe Beziehung aufbauen konnte, löste sie sich früh von ihrem
Elternhaus. Mit 30 emigrierte sie nach Paris, und lebte dort als Single in
einfachen und ungebundenen Verhältnissen. Paula wuchs dagegen bei ihren Eltern
in liebevollen, stabilen und wohlhabenden Verhältnissen auf, fand mit 29 Jahren
ihren geliebten Ehemann, bekam zwei Kinder, und genoss ihre harmonischen
Familienverhältnisse mindestens so sehr, wie ihren Beruf.
In vielen persönlichen Merkmalen glichen sich die Schwestern
wie zwei Abbilder, weshalb sie sich trotz ihrer Fremdheit nach dem ersten
Zusammentreffen sofort sehr vertraut und verbunden fühlten. Es zeigten sich
aber auch bald erhebliche Irritationen, hervorgerufen einerseits durch die
unterschiedlichen Erwartungen der Zwillingsschwestern, und andererseits durch
die Infragestellung ihrer Identität. Elyse suchte besonders die Nähe zu ihrer
Zwillingsschwester, während Paula Angst davor hatte. Elyse als Single hatte
andere Bedürfnisse als Paula, die in der Familie ihre Bestimmung fand. Obwohl
keine von Beiden mit den Verhältnissen der Anderen tauschen wollte, stellten
sich beide die Frage, wie ihr Leben wohl verlaufen wäre, wären sie jeweils zu
den anderen Adoptiveltern gekommen, oder wären sie von einem Elternpaar
gemeinsam adoptiert worden. Es benötigte einige Jahre, um diese Angst vor der
anderen Identität abzulegen, und sich mit der Idee anzufreunden, dass Elyse
ebenso gut Paula, und Paula ebenso gut Elyse hätte sein können. In
ungezwungenen Augenblicken überwog aber stets die beinahe euphorische
emotionale Nähe der beiden Zwillingsschwestern zueinander, ein typisches
Phänomen bei eineiigen Zwillingen.
|